1995 - Newroz

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Kurdische Tragödie, deutsche Farce - Stück über die deutsche Mitverantwortung an einem Völkermord

1995 Mit dem von der Bundesrepublik dem NATO-Partner Türkei seit 1964 überlassenen Gerät (allein 500 Millionen Schuß Munition aus NVA-Beständen in den letzten Jahren!) sind nach Berechnungen des kurdischen Exilparlaments in Brüssel über 2000 Dörfer ausradiert und 17 000 Kurden getötet worden (Stand September 1995). Außenminister Kinkel erklärt die von internationalen Wahlbeobachtern vorgelegten Photographien deutscher Waffen in Kurdistan für nicht beweiskräftig, und 1995 geht sowohl der privatwirtschaftliche Export von z.T. mit Hermesbürgschaften abgesicherten Rüstungsgütern (incl. der Produktion deutscher Waffen in Lizenz) weiter, als auch die militärische, finanzielle und politische Unterstützung des Waffenbruders am Bosporus. Als flankierende Maßnahme werden die politisch aktiven Kurden bei uns abgeschoben und kriminalisiert. Das ist der Hintergrund von NEWROZ - kurdische Tragödie, deutsche Farce. (Regie: Elke Schuster und Klaus Fiedler)

Im Anschluss an eine Vorstellung in München hallen Sprechchöre durch Pasing. "Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt!" Begleitet von einer wachsenden Schar Polizisten, demonstrieren Zuschauer und Schauspieler gegen deren Überfall auf den kurdischen Elternverein einen Tag zuvor. Ein Teilnehmer, der unseren Zug als Spontandemo bei der Polizei anmeldet, wird von dieser angezeigt, vor Gericht jedoch freigesprochen. Kurzzeitig verhaftet werden wir selbst auf einem Dortmunder Bahnsteig, als wir einer Gruppe Kurden, die vom Bundesgrenzschutz (um ihnen die Teilnahme an einer Demonstration unmöglich zu machen) in Züge verfrachtet werden, durch Zurufe unsere Soldarität bekunden.

Wiederholte Proteste türkischer Generalkonsuln gegen das Stück; bei jeder Aufführung ein großes Polizeiaufgebot; eine Bombendrohung in Schwäbisch Hall; ein Theaterintendant, der das Ausladen unseres LKW kontrolliert, um mögliche Molotowcoctails auf dem Weg zu seiner Bühne abzufangen - für die Kurden in Deutschland jedenfalls ist das Stück eine große Freude. Wir werden eingeladen, anstelle verbotener Newroz-Feiern zu spielen (so in Stuttgart); in Bielefeld wird das Stück von med-tv aufgenommen (und später ausgestrahlt); in Berlin gibt es eine kurdische Nacht mit dem Stück, im Theater am Halleschen Tor, incl. Photoausstellung, Podiumsdiskussion, Tanz und kurdischem Essen, mit 400 Kurden und Kurdinnen als Gästen. Auf dem quer über die ganze Front des Theaters gespannten Transparent rufen wir zum Frieden zwischen Türken und Kurden auf.

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